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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich - Februar 2012

Zusammenfassung

1.1 Umsatzsteuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeit   

1.2 Nur noch "eine" Betriebsstätte bei selbstständiger Tätigkeit   

1.3 Einkommensteuer-Vorauszahlungssystem ist verfassungsgemäß   

1.4 Regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten   

1.5 Revidiertes Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz in Kraft   

1.6 Wann gehen Urlaubsansprüche unter?   

1.7 Zweifelsfragen zur Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG   

1.8 Neues zur Anwendung der 1 %-Regelung   

1.9 DBA Deutschland - Liechtenstein unterzeichnet   

1.10 Zahlungsanweisung durch Angabe einer Kontonummer in Steuererklärung   

1.11 Übernommene Pflegekosten einer Tante als außergewöhnliche Belastungen nach vorweggenommener Erbfolge   

1.12 Auskunftsverweigerung gegenüber erfolglosem Bewerber kann diskriminierend sein   

1.13 Doppelter Haushalt: Wohnen am Beschäftigungsort trotz Strecke 141 km?   

1.14 Erbschaftsteuerliche Gleichbehandlung von zusammenlebenden Geschwistern und Lebenspartnern?   

1.15 Erbschaft nach einem Elternteil ist kein kindergeldrechtlicher Bezug   

1.16 Alleinerziehende: Anspruch auf Entlastungsbetrag bis zur Eheschließung   

1.17 Besuchsfahrten sind nicht immer außergewöhnliche Belastungen   

1.18 Umzug in Etappen: Wie weit geht die berufliche Veranlassung?   

1.19 Gewinnzurechnung bei ausgeschiedenem Gesellschafter   

1.20 Semestergebühren sind als Mehraufwendungen abziehbar   

1.21 Fristlose Kündigung eines freigestellten Arbeitnehmers zulässig?   

1.22 Berücksichtigung des Alters bei Sozialauswahl ist nicht diskriminierend   

1.23 Verkäufer haftet dem Arbeitgeber nicht für Ladendiebstähle   

1.24 Wann dürfen Arbeitgeber ein Attest fordern?   

   

 

Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


1.1 Umsatzsteuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeit

Rechtslage

Erhalten ehrenamtliche Helfer ein Entgelt für ihre Tätigkeit, so ist dieses von der Umsatzsteuer befreit, sofern es sich lediglich um Auslagenersatz bzw. angemessene Entschädigungen für den entstandenen Zeitverlust handelt.

Neue Verwaltungsanweisung

Nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) ist eine Entschädigung in Höhe von 50 EUR je geleisteter Stunde ehrenamtlicher Tätigkeit in der Regel angemessen. Die Vergütung darf aber insgesamt im Jahr den Betrag von 17.500 EUR nicht übersteigen. Ferner setzt die Steuerbefreiung voraus, dass der Zeitaufwand nachvollziehbar dokumentiert wird.

Konsequenzen

Wer die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen möchte, muss die Vorgaben des Bundesfinanzministeriums genau befolgen. Abweichungen hiervon ziehen den Verlust der Steuerbefreiung nach sich. So unterliegen pauschale oder unangemessene Vergütungen nicht nur der Umsatzsteuer, sondern ihre Zahlung führt ebenfalls dazu, dass die Steuerbefreiung für sämtliche andere Vergütungen, also auch für angemessene, versagt wird.

1.2 Nur noch "eine" Betriebsstätte bei selbstständiger Tätigkeit 

Kernproblem

Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Sommer 2011 entschieden, dass ein Arbeitnehmer - wenn überhaupt - nur eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben kann. Entgegen des bisherigen Rechtsverständnisses sei für die Einordnung als regelmäßige Arbeitsstätte eine zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsstätten erforderlich. Die Frage nach dem Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte stellt sich insbesondere, wenn Arbeitnehmer fortdauernd und immer wieder verschiedene Tätigkeitsstätten des Arbeitgebers aufsuchen. Die Festlegung des Orts und der Anzahl der Arbeitsstätten hat neben der Anwendung des Reisekostenrechts auch Auswirkungen auf die Berechnung des geldwerten Vorteils bei der privaten Nutzung eines Firmen-Pkw. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg war nunmehr die Frage, ob diese Grundsätze auch analog für den Bereich der selbstständig Tätigen, die begrifflich keine Arbeitsstätten sondern Betriebsstätten unterhalten, gelten.

Sachverhalt

Ein Ehepaar klagte, weil der Ehemann in den Veranlagungsjahren 2001-2003 sowohl als Personalberater als auch als Dozent bzw. Prüfer an verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig war. Die Personalberatertätigkeit übte er im Erdgeschoss des eigenen Hauses aus. Für seine Dozenten- und Prüfertätigkeiten musste er hingegen u. a. verschiedene Hochschulen aufsuchen. Das Finanzamt wertete sämtliche Fahrten zu den Hochschulen als begrenzt abzugsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Hiergegen klagte der Steuerpflichtige, da er diese Fahrten als unbegrenzt abzugsfähige Reisekosten zum Abzug bringen wollte.

Entscheidung

Das Gericht gab der Klage des Steuerpflichtigen statt und ließ die Aufwendungen als Reisekosten in unbegrenztem Umfang zum Abzug zu. In seiner Urteilsbegründung bezieht sich das Gericht maßgeblich auf die o. g. Rechtsprechungsänderung des BFH: Wenn ein Arbeitnehmer nur (maximal) eine Arbeitsstätte haben kann, könne auch ein Selbstständiger nicht mehrere Betriebsstätten haben. Eine andere Auffassung würde der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbstständigen entgegenstehen.

Konsequenz

Selbstständig Tätige, die an verschiedenen Orten regelmäßig tätig sind, können ebenfalls (max.) eine regelmäßige Betriebsstätte haben. Dies ist derjenige Standort, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der Tätigkeit befindet. Fahrten zwischen der Wohnung und dieser Betriebsstätte sind (weiterhin) nur begrenzt im Rahmen der sog. Pendlerpauschale abzugsfähig. Die Fahrten zu den übrigen Betriebsstätten werden als unbegrenzt abzugsfähige Reisekosten berücksichtigt. Das Finanzamt hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt. Es erscheint indes eher unwahrscheinlich, dass der BFH dieser stattgibt.

1.3 Einkommensteuer-Vorauszahlungssystem ist verfassungsgemäß 

Rechtslage

Der Steuerpflichtige hat am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird. Bemessungsgrundlage ist grundsätzlich die Einkommensteuer, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Über eine Anpassung der Vorauszahlung hat das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine ausdrückliche Regelung, nach welchem Maßstab die Vorauszahlungen zu verteilen sind, ist nicht existent.

Sachverhalt

Der Kläger erzielt als Gesellschafter einer Rechtsanwaltskanzlei Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Abweichend von der bisherigen Verfahrensweise setzte das beklagte Finanzamt gegen den Kläger 4 gleich hohe Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer 2008 fest. Der Kläger behauptet, seine Kanzlei erziele regelmäßig nur 30 % ihres Gewinns im ersten Halbjahr, weshalb eine Vorauszahlungsverpflichtung bis zum 10.6. von 50 % Steuern auf den voraussichtlichen Jahresgewinn nicht gerechtfertigt sei. Er begehrt deshalb die vierteljährlichen Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer in ansteigender Höhe festzusetzen. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Auch vor dem Bundesfinanzhof (BFH) hatte der Kläger keinen Erfolg.

Entscheidung

Trotz ihres unvollständigen Wortlauts ist die Regelung über die Einkommensteuer-Vorauszahlung einer ergänzenden Auslegung zugänglich und bedürftig. Der BFH verweist hierzu auf die historische Rechtsentwicklung, wonach sich der Gesetzgeber bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden hat, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige Ermittlungen auskommt. Dieses ist auch nicht verfassungswidrig. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Schwankungen bei den Gewinnzuflüssen sind durch Rücklagen auszugleichen. Hingegen können unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen durch die Möglichkeit der Anpassung vermieden werden. Individuelle Zahlungsschwierigkeiten werden ferner im Rahmen des Erhebungsverfahrens berücksichtigt.

Konsequenz

Selbst wenn der Steuerpflichtige saisonale Einnahmen erzielt, sind die Vorauszahlungen grundsätzlich in 4 gleichen Beträgen zu leisten. Besonderheiten können im Erhebungsverfahren z. B. durch Stundung berücksichtigt werden. Unter Umständen besteht diesbezüglich ein Rechtsanspruch.

1.4 Regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten 

Kernproblem

Ob ein Arbeitnehmer eine oder mehrere regelmäßige Arbeitsstätten hat, kann Anknüpfungspunkt für viele steuerliche Fragestellungen sein. Dies gilt z. B. für die Bemessung von steuerlichen Sachbezügen bei der Überlassung eines Dienstwagens oder im Reisekostenrecht. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) konnte ein Arbeitnehmer mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander haben. Im Sommer letzten Jahres hat der BFH seine Rechtsprechung geändert und in 3 Urteilen entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte je Arbeitsverhältnis innehaben kann, auch wenn er fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. In einem solchen Fall sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Wie die Finanzverwaltung auf die neue Rechtsprechung reagieren würde, war bisher noch unklar.

Neues Schreiben des Bundesfinanzministeriums

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Anwendung und Veröffentlichung der Urteile im Bundessteuerblatt angekündigt. Bei Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Folgendes zu beachten: in der Regel ist von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund der dienstrechtlichen oder arbeitsvertraglichen Festlegungen entweder einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers arbeitstäglich (oder je Arbeitswoche einen vollen Arbeitstag oder mindestens 20 % seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit) tätig werden soll (Prognoseentscheidung). Wird im Einzelfall hiervon abweichend geltend gemacht, dass entsprechend den Grundsätzen der Entscheidungen des BFH eine andere betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte ist oder keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, ist dies anhand des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der beruflichen Tätigkeit nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.

Konsequenz

Das BMF wendet damit zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte die bereits bisher in den Lohnsteuerrichtlinien 2011 verlautbarten Kriterien an. Aber wohlgemerkt, jetzt nicht mehr zur Bestimmung "mehrerer", sondern nur noch der "einen" oder keiner regelmäßigen Arbeitsstätte.

1.5 Revidiertes Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz in Kraft 

Grundlagen

Am 27.10.2010 wurde das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz (DBA-Schweiz) unterschrieben. Das unterzeichnete DBA richtete sich dabei nach dem OECD-Standard und änderte das bereits seit 1971 bestehende DBA in wesentlichen Punkten. Der zu seinem Inkrafttreten notwendige Austausch der Ratifikationsurkunden erfolgte jedoch erst am 21.12.2011. Entgegen des ursprünglichen Zeitplans findet somit ein Teil der Neuregelungen erst mit Wirkung ab dem 1.1.2012 Anwendung. Die wesentlichen Änderungen des revidierten DBA lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Quellensteuererleichterungen für Dividenden

Ein Quellensteuerabzug auf Dividenden hat zukünftig bereits zu unterbleiben, wenn die im anderen Land ansässige beteiligte Gesellschaft für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 12 Monaten unmittelbar mindestens 10 % (zuvor: 20 %) der Anteile besitzt. Die Erleichterung gilt für sämtliche Dividenden, die am oder nach dem 1.1.2011 fällig werden.

Schiedsklausel

Beide Staaten haben sich auf die Einführung einer Schiedsklausel als Ergänzung bzw. Erweiterung zum Verständigungsverfahren geeinigt. Das Schiedsverfahren wird unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt, wenn sich die zuständen Behörden im Fall einer abkommenswidrigen Situation nicht im Rahmen eines Verständigungsverfahren einigen konnten.

Große Auskunftsklausel

Wesentliche Änderung des revidierten DBA ist die Vereinbarung einer sogenannten großen Auskunftsklausel. Nach der kleinen Auskunftsklausel können nur Auskünfte erbeten oder übermittelt werden, die zur Durchführung des DBA selbst notwendig sind. Demgegenüber sieht die große Auskunftsklausel die Übermittlung aller Auskünfte vor, die zur Anwendung des DBA oder des innerstaatlichen Rechts eines Vertragsstaats über die unter das Abkommen fallenden Steuern erforderlich sind. Auskünfte können z. B. über die Richtigkeit von Tatsachenbehauptungen oder über Beweismittel, die zur steuerlichen Beurteilung erforderlich sind, angefordert werden. Auskünfte zur Durchführung rein innerstaatlichen Rechts, wie beispielsweise Spontanauskünfte, sind somit ebenfalls zulässig.

Konsequenz

Das nunmehr endgültig in Kraft getretene revidierte DBA ist streng zu trennen vom - auch in der breiten Öffentlichkeit kontrovers diskutierten - Steuerabkommen zur Behandlung von Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz vom 21.9.2011. Dieses befindet sich derzeit noch im Ratifizierungsprozess, wobei es unsicher erscheint, ob der Bundesrat seine Zustimmung erteilen wird. Das Steuerabkommen, das am 1.1.2013 in Kraft treten soll, sieht insbesondere eine Abgeltungsteuer auf zukünftige Erträge sowie eine Pauschalbesteuerung für bislang nicht versteuerte Kapitalanlagen vor.

1.6 Wann gehen Urlaubsansprüche unter? 

Rechtslage

Fragen rund um den Erhalt und die Abgeltung von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer waren in den letzten 2 Jahren Gegenstand diverser Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Zuletzt galt, dass langzeiterkrankte Arbeitnehmer ihre (gesetzlichen Mindest-)Urlaubsansprüche behielten und in der Krankheit hinzu erwarben. Der EuGH hielt es aber in seiner letzten Entscheidung für zulässig, dass diese erhaltenen und angewachsenen Urlaubsansprüche bei Ende der Krankheit oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer zeitlichen Schranke unterliegen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat diese zeitliche Beschränkung für die Bundesrepublik Deutschland nunmehr erstmals mit 15 Monaten festgelegt.

Sachverhalt

Der Kläger war langzeiterkrankt und machte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltungsansprüche für 3 Kalenderjahre geltend.

Entscheidung

Gestützt auf die Entscheidung des EuGH zur Zulässigkeit zeitlicher Beschränkungen für den Erhalt und das Anwachsen von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankten, beschränkte das Landesarbeitsgericht die Ansprüche auf einen Zeitraum von 15 Monaten in die Vergangenheit. Nach deutschem Recht ist der Urlaubsanspruch an das Kalenderjahr gebunden und erlischt nach dem Bundesurlaubsgesetz spätestens mit Ablauf des 31.3. des Folgejahres. Dies sei die für die Bundesrepublik Deutschland maßgebliche zeitliche Schranke. Länger zurück liegende Urlaubsansprüche verfallen.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht. Sie entspricht der zugrunde liegenden Entscheidung des EuGH und den maßgeblichen Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Ob die Entscheidung noch einmal durch das BAG im Rahmen einer Revision überprüft wird, bleibt abzuwarten. Aus hiesiger Sicht ist die Rechtslage aber nunmehr abschließend geklärt.

1.7 Zweifelsfragen zur Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG 

Kernaussage

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zu einigen Zweifelsfragen im Bereich der Übertragung und Überführung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Betriebsvermögen Stellung genommen.

Sachverhalt

Werden Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in das Privatvermögen im Wege der Entnahme überführt, so erfolgt dies zum Teilwert. Der Teilwert ist derjenige Wert, den ein potentieller Erwerber für das einzelne Wirtschaftsgut zahlen würde. Damit werden grundsätzlich die stillen Reserven aufgedeckt. Der Steuerpflichtige oder die Personengesellschaft erzielt einen steuerbaren Gewinn in Höhe der Differenz zwischen Teilwert und Buchwert des Wirtschaftsgutes. Von diesem Grundsatz gibt es eine Ausnahme, die es dem (Mit-)Unternehmer ermöglichen soll, einzelne Wirtschaftgüter von einem (Sonder-)Betriebsvermögen in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen steuerneutral zu überführen. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind seit langem strittig diskutiert worden.

Entscheidung

Nun hat das BMF mit Schreiben vom 8.12.2011 zu Zweifelsfragen der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern Stellung genommen. So hat sich das BMF zum Beispiel zu der Frage geäußert, ob man Wirtschaftsgüter aus einem Gesamthandsvermögen in ein anderes Gesamthandsvermögen übertragen kann. Die Möglichkeit der steuerneutralen Übertragung hat das BMF ausdrücklich verneint. Weiterhin hat das BMF sich zu der Unentgeltlichkeit einer Übertragung geäußert. Wird ein Wirtschaftsgut in ein Gesamthandsvermögen übertragen, so kann dies nur dann steuerneutral erfolgen, wenn die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Eine andere Gegenleistung ist schädlich. Hierzu stellt das BMF klar, dass die zeitgleiche Übernahme von Verbindlichkeiten Entgelt darstellt. Diese Aussage bedarf bei der Übertragung von Grundstücken besonderer Beachtung. Häufig wird man die Darlehensverbindlichkeiten, die zur Anschaffung der Immobilie begründet wurden, mit übertragen wollen. Dies ist ausdrücklich schädlich.

Konsequenz

Das Schreiben des BMF gewährt hinsichtlich einiger Zweifelsfragen Rechtssicherheit. Soweit die offenen Fragen nämlich durch dieses Schreiben beantwortet werden, wird sich die Finanzverwaltung an diesen Antworten festhalten lassen (müssen). Andere Fragen sind demgegenüber offen geblieben. In jedem Fall empfiehlt sich die Zuziehung eines steuerlichen Beraters.

1.8 Neues zur Anwendung der 1 %-Regelung

Kernaussage

Die 1 %-Regelung für die private Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge ist eine Bewertungsregelung, die voraussetzt, dass tatsächlich ein Vorteil gewährt wurde. Daran fehlt es, wenn dem Arbeitnehmer die private Nutzung von betrieblichen Fahrzeugen untersagt ist. Die gestattete Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte stellt keine Vorteilsgewährung dar, die die Anwendung der 1 %-Regelung gestattet; so entschied kürzlich der Bundesfinanzhof (BFH).

Sachverhalt

Der Kläger war Angestellter eines Autohauses. Den Mitarbeitern des Autohauses war die private Nutzung der Fahrzeuge untersagt. Zugelassen war allerdings die Nutzung der Vorführwagen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Das Finanzamt sah hierin die Gewährung eines geldwerten Vorteils, der auf Grundlage der 1 %-Regelung zu besteuern sei. Der Anscheinsbeweis, so das Finanzamt, spreche dafür, dass die Fahrzeuge auch privat genutzt würden.

Entscheidung

Dem trat der BFH entgegen. Die 1 %-Regelung betreffe lediglich die Bewertung eines tatsächlich gewährten Vorteils. Ein solcher Vorteil liege aber nicht vor. Keineswegs sei im Wege des Anscheinsbeweises anzunehmen, dass vorhandene betriebliche Kraftfahrzeuge privat genutzt würden. Ein Anscheinsbeweis könne lediglich dahin gehen, dass Fahrzeuge, die dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassen seien, von ihm auch tatsächlich genutzt würden. Nur wenn der Arbeitgeber also Fahrzeuge zur privaten Nutzung überlasse, sei die Anwendung der 1 %-Regelung denkbar. Untersage der Arbeitgeber demgegenüber die private Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge, könne kein geldwerter Vorteil vorliegen. Auch die Erlaubnis, betriebliche Fahrzeuge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen, stelle keine Gewährung geldwerter Vorteile dar. Diese Fahrten habe der Gesetzgeber nämlich der Erwerbssphäre zugeordnet, indem er die Kosten für diese Fahrten zum Werbungskostenabzug zugelassen habe. Selbst die unbefugte Nutzung habe keinen Lohncharakter. Lasse sich nämlich der Arbeitnehmer selbst Vorteile zukommen, so würden diese nicht "für eine Beschäftigung" gewährt.

Konsequenz

Die 1 %-Regelung ist künftig weder bei der Einkommensteuerveranlagung noch beim Lohnsteuerabzug anzuwenden, wenn die private Nutzung von betrieblichen Kraftfahrzeugen untersagt ist. Es empfiehlt sich für den Arbeitgeber, ein Verbot schriftlich zu dokumentieren, seine Einhaltung zu überprüfen und auftretende Verstöße zu sanktionieren. Es steht ansonsten zu befürchten, dass das Finanzamt von einem nur für Steuerzwecke "ausgesprochenen" Verbot ausgeht.

1.9 DBA Deutschland - Liechtenstein unterzeichnet

Allgemeines:

Am 17.11.2011 wurde das neue Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Liechtenstein von den zuständigen Ministern unterzeichnet. Das Abkommen entspricht weitestgehend dem OECD-Standardabkommen und soll die steuerlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten weiter vertiefen. Zum Inkrafttreten ist noch die Ratifikation durch die gesetzgebenden Körperschaften erforderlich. Es wird erwartet, dass das Abkommen für Steuern ab dem Veranlagungszeitraum 2012 Anwendung findet. Von Bedeutung sind vor allem die nachfolgenden Regelungen:

Abkommensberechtigung:

Privatvermögensstrukturen liechtensteinischen Rechts sind nicht abkommensberechtigt. Investmentgesellschaften hingegen sind abkommensberechtigt.

Unternehmensgewinne:

Gewinne im Unternehmen werden im Betriebsstättenstaat besteuert und im Stammhausstaat freigestellt, wenn ein Aktivitätstest erfüllt wird. Ansonsten erfolgt eine Steueranrechnung. Der Aktivitätstest ist auch bei Veräußerungseinkünften zu beachten und erstreckt sich dabei auch auf Immobilienvermögen, das von einer Betriebsstätte genutzt wird.

Quellensteuerreduzierungen:

Die Quellensteuern auf Dividenden können unter bestimmten Voraussetzungen auf 0 % reduziert werden (10 %-Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und seit 12 Monaten Anteilseigner). Soweit der Zeitraum des Anteilsbesitzes 12 Monate unterschreitet, ist eine Absenkung der Quellensteuer auf 5 % vorgesehen. In allen anderen Fällen liegt die maximale Quellensteuer bei 15 %. Quellensteuern auf Zinsen und Lizenzen dürfen vom Quellenstaat nicht erhoben werden.

Veräußerungsgewinne:

Veräußerungsgewinne werden bei unbeweglichem Vermögen und bei Betriebsvermögen im Quellenstaat besteuert und im anderen Staat freigestellt. Hier ist wiederum der so genannte Aktivitätstest zu beachten. Bei Immobiliengesellschaften erfolgt eine Besteuerung im Staat der Belegenheit des Grundstücks.

Informationsaustausch:

Bereits im September 2009 wurde zwischen Deutschland und Liechtenstein ein Abkommen über die Zusammenarbeit beim Informationsaustausch abgeschlossen. Dieses Abkommen gilt ergänzend zu den Regelungen im neuen Abkommen, das eine große Auskunftsklausel enthält. Danach sind alle Auskünfte zu übermitteln, die zur Anwendung des DBA erforderlich sind.

1.10 Zahlungsanweisung durch Angabe einer Kontonummer in Steuererklärung

Kernaussage

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt wurde, nach der Abgabenordnung gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Das Finanzgericht Münster hatte in diesem Zusammenhang darüber zu entscheiden, ob das Finanzamt eine Steuererstattung vom Kontoinhaber zurückfordern darf, wenn der nicht mit dem Kontoinhaber identische Steuerpflichtige diese Kontonummer in seiner Steuererklärung angegeben hat.

Sachverhalt

Der mittlerweile von der Klägerin geschiedene Ehemann hatte auf dem Mantelbogen seiner erstmals auf Durchführung der Einzelveranlagung gerichteten Einkommensteuererklärung für 2008 die Kontonummer der Klägerin angegeben und angekreuzt, er sei Kontoinhaber. Nach Erlass des Einkommensteuerbescheids überwies das beklagte Finanzamt die aus der Veranlagung folgende Steuererstattung auf das in der Erklärung angegebene Konto. Einen Tag später teilte der Ehemann dem Finanzamt seine korrekte Kontonummer mit, woraufhin das Finanzamt den Erstattungsbetrag von der Klägerin zurückforderte. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Der Rückforderungsbescheid war rechtswidrig. Die Anweisung des Ehemannes zur Zahlung etwaiger Steuererstattungsbeträge auf das Konto der Klägerin war wirksam. Die Erstattung erfolgte nicht ohne rechtlichen Grund, denn, so die Richter, die Angabe des Namens des Kontoinhabers zählt nicht zum notwendigen Inhalt einer Zahlungsanweisung. Die erst einen Tag nach der Überweisung des Erstattungsbetrages mitgeteilte andere Kontonummer ist nur für die Zukunft bindend. Diese Mitteilung war auch keine Anfechtungserklärung, weil nicht ersichtlich war, dass die ursprüngliche Zahlungsanweisung von Anfang an beseitigt werden sollte.

Konsequenz

Gibt ein Steuerpflichtiger in der Steuererklärung die Nummer eines Kontos an, dessen Inhaber ein anderer ist, so darf das Finanzamt eine auf dieses Konto geleistete Steuererstattung nicht vom Kontoinhaber zurückfordern. Die Zahlungsanweisung ist insofern wirksam; eine Änderung wirkt nur für die Zukunft.

1.11 Übernommene Pflegekosten einer Tante als außergewöhnliche Belastungen nach vorweggenommener Erbfolge

Kernproblem

Werden Kosten für die Unterbringung eines bedürftigen Familienangehörigen in einem Altenheim übernommen, liegen typische Unterhaltsaufwendungen vor, die als außergewöhnliche Belastungen mit bis zu 8.004 EUR (ggf. unter Berücksichtigung eigener Einkünfte der unterstützten Person) abzugsfähig sind. Dagegen begründen die Kosten wegen ständiger Pflegebedürftigkeit außergewöhnliche Belastungen, die unter Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung abzugsfähig sind. Das gilt auch für einen unterhaltsverpflichteten Dritten, der die Aufwendungen übernimmt. Daneben können auch aus sittlicher Verpflichtung heraus Aufwendungen erwachsen, z. B. wenn der Neffe die Aufwendungen der Tante trägt. So war es auch in einem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall. Hier bestand aber die Besonderheit, dass sich die Tante mittelbar selbst in die Lage gebracht hatte, auf die Unterstützung des Neffen angewiesen zu sein.

Sachverhalt

Im Streitfall hatte der Neffe von seiner damals 77jährigen Tante ein Mietwohngrundstück in vorweggenommener Erbfolge übertragen bekommen. Die Tante behielt jedoch den Nießbrauch an dem Objekt und konnte mit den Mieteinnahmen zunächst ihren Unterhalt aufbringen. Viele Jahre später, als die Tante auf die 90 zuging, machte der Neffe Kosten für die Heimunterbringung seiner Tante als außergewöhnliche Belastung geltend. Diese war mittlerweile pflegebedürftig und konnte aus den Mieteinnahmen die Pflegekosten nicht mehr decken. Hierzu hatten auch Mietrückstände und Reparaturen beigetragen. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen ab, weil das Nießbrauchsrecht der Tante der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entgegenstehe. Zudem habe der Neffe die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante dadurch adäquat mitverursacht, dass er sich deren Vermögen zuvor habe übertragen lassen.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Neffen Recht und sah die Kostenübernahme der Heimunterbringung als zwangsläufig an, weil die Einkünfte der Tante aus dem Vorbehaltsnießbrauch nicht ausreichend gewesen seien. Dem habe weder der geringe Wert des Nießbrauchsrecht entgegen gestanden, noch die vorherige Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Anders als das Finanzamt waren die Richter der Auffassung, dass die Unterstützungsbedürftigkeit in erster Linie auf die eingetretene Pflegebedürftigkeit der Tante sowie den Rückgang der Mieterträge zurückzuführen war, und nicht auf ein kausal mitverursachtes Verhalten des Neffen durch Annahme der Grundstücksübertragung.

Konsequenz

Das Urteil ist rechtskräftig geworden und gibt Anlass für zulässige steuerliche Gestaltungen, in denen aber außerhalb des Steuerrechts liegende persönliche Überlegungen nicht unberücksichtigt bleiben sollten.

1.12 Auskunftsverweigerung gegenüber erfolglosem Bewerber kann diskriminierend sein 

Kernfrage

Diskriminierend abgelehnte Bewerber haben gegen den diskriminierenden Arbeitgeber einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG und den zugrunde liegenden Europäischen Diskriminierungs-Schutz-Richtlinien). Allerdings ist es für einen angelehnten Bewerber oft schwer, dem Arbeitgeber die Diskriminierung nachzuweisen. Meist fehlen ihm die für eine hinreichende Substantiierung seines Vortrags erforderlichen Informationen. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer genügend Indizien für eine Diskriminierung vorträgt; der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast für deren Nichtvorliegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob abgelehnte Bewerber einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber haben; ein kodifizierter Anspruch fehlt nämlich im Gesetz. Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat daraufhin seine Rechtsansicht im Verfahren geäußert.

Sachverhalt

Die aus Russland stammende Klägerin hatte sich zweimal auf eine identische Stellenanzeige bei einem deutschen Arbeitgeber beworben. Sie war beide Male nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden, ohne dass die Ablehnung begründet wurde. Zwar fehlte ihr ein deutscher Studienabschluss; allerdings war ihr russischer Abschluss einem deutschen gleichgestellt. Daraufhin klagte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber ein (Diskriminierung wegen Abstammung, Geschlecht und Alter) und machte gleichzeitig Auskunftsansprüche geltend, mit denen sie Aufklärung über die eingestellten Personen und deren Qualifikation verlangte. Das BAG legte dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob abgelehnte Bewerber bei Nichtberücksichtigung einen Auskunftsanspruch haben, ob und wenn ja, welcher Bewerber eingestellt wurde. Ferner sollte bei Bejahung der ersten Frage geklärt werden, ob die Nichterteilung der Auskunft ein hinreichendes Indiz einer Diskriminierung sei?

Die Auffassung des Generalanwalts

Der Generalanwalt sieht keinen generellen Auskunftsanspruch; und zwar selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer darlegen kann, selber die Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle zu erfüllen. Ein kodifizierter Anspruch fehle insoweit. Allerdings könne die Nichterteilung der Information in verschiedenen Fallgestaltungen bereits für sich genommen ein hinreichendes Indiz für eine Diskriminierung sein. Dies sei aber Wertungsfrage des jeweiligen Gerichts. Dieses solle bei der Bewertung, ob eine Informationsverweigerung ein hinreichendes Indiz darstelle, mit berücksichtigen, ob der Bewerber die erforderliche Qualifikation besaß und ob er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Ferner sei zu berücksichtigen, ob (wie im Falle der Klägerin) eine zweite Bewerbungsrunde durchgeführt worden sei, in der der Bewerber wieder nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei.

Konsequenz

Die Auffassung des Generalanwalts zeigt die Reichweite der Beweislastregelungen im Diskriminierungsschutz. Es bedarf dann nicht eines selbstständigen Auskunftsanspruchs, wenn bereits die Nichtbegründung der Ablehnung ausreicht, um den Entschädigungsanspruch darzulegen und den Arbeitgeber zum Gegenbeweis zu verpflichten. Die Auskunftserteilung erfolgt dann im Entschädigungsprozess. Sollte sich der EuGH dieser Auffassung anschließen, droht eine Klagewelle, wenn Arbeitgeber ihre Ablehnung nicht begründen.

1.13 Doppelter Haushalt: Wohnen am Beschäftigungsort trotz Strecke 141 km?

Kernproblem

Aufwendungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung sind als Werbungskosten abzugsfähig. Eine zum Abzug berechtigende doppelte Haushaltsführung liegt nach dem Gesetz nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch "am Beschäftigungsort" wohnt. Aber was heißt Beschäftigungsort? Innerhalb der politischen Gemeinde, auch das Einzugsgebiet und in welchem Umfang? Bei einer Entfernung von 141 km dürften sich Zweifel ergeben. Umso mehr überrascht ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf.

Sachverhalt

Die als kaufmännische Angestellte tätige Ehefrau hatte bereits seit dem Jahr 2000 einen beruflich veranlassten doppelten Haushalt am Beschäftigungsort begründet. Die Zweitwohnung wurde auch beibehalten, nachdem der Arbeitgeber seinen Firmensitz 2007 in eine andere Großstadt verlegt hatte. In dem darauffolgenden Streitjahr 2008 betrug die Entfernung vom Arbeitsort zum regelmäßig am Wochenende aufgesuchten Familienhaushalt 267 km. Von der jetzt 141 km vom Arbeitsort entfernt liegenden Zweitwohnung pendelte die Ehefrau dank schneller und komfortabler Zugverbindung täglich zum Arbeitgeber (Zeitaufwand mit dem ICE ca. 1 Stunde, ohne Zeiten von "Tür zu Tür"). Das Finanzamt ging bei dieser Entfernung nicht mehr von einem Wohnen am Beschäftigungsort aus und stützte seine Auffassung auf einen früheren Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser hatte sich zwar grundsätzlich zu einer großzügigen Auslegung entschlossen, aber im damaligen Fall eine Entfernung von 62 km als zu weit angesehen. Das versprach vor dem Finanzgericht nichts Gutes.

Entscheidung

Das FG hat trotz der großen Entfernung und des Auseinanderfallens von Zweitwohnung und Arbeitsstätte in verschiedenen Großstadtgemeinden ein Wohnen "am Beschäftigungsort" angenommen und die Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung zum Abzug zugelassen. Die Richter führten aus, dass es im Zeitalter steigender Mobilitätsanforderungen durchaus üblich sei, dass ein Arbeitnehmer größere Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Kauf nehme, wenn die Arbeitsstätte mit dem ICE verkehrsgünstig zu erreichen sei. Positiv trug auch der Umstand bei, dass die Entfernung dadurch mitverursacht sei, dass der Arbeitgeber seinen Firmensitz vom Ort der Zweitwohnung wegverlegt habe.

Konsequenz

Ob es bei dem Ergebnis bleibt, muss abgewartet werden, denn die Revision beim BFH ist bereits anhängig. Vergleichbare Fälle sollten durch Einspruch offen gehalten werden.

1.14 Erbschaftsteuerliche Gleichbehandlung von zusammenlebenden Geschwistern und Lebenspartnern?

Rechtslage

Nahe Angehörige fallen erbschaftsteuerlich in die Steuerklasse I. Damit verbunden sind nicht nur vergleichsweise hohe persönliche Freibeträge, sondern auch günstigere Steuersätze. In den Anwendungsbereich der Steuerklasse I fallen aber nur die engsten Familienangehörigen (in der Regel (Stief-)Kinder, Ehegatten, Enkel, ggfls. Eltern). Der Anwendungsbereich entspricht also dem verfassungsrechtlichen Schutzbereich der Ehe, wobei gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gleichgestellt sind. Entferntere nahe Angehörige fallen dagegen nicht in den Anwendungsbereich der Steuerklasse I. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dies bei Geschwistern anders sein könne, wenn diese zusammen leben.

Sachverhalt

Die Kläger hatten ihr gesamtes Leben gemeinsam mit dem Erblasser, ihrem Bruder, zusammen "unter einem Dach" gelebt; beide hatten sich wechselseitig zu Erben eingesetzt. Nach dem Tode des Erblassers wurden die Kläger in Steuerklasse II zur Erbschaftsteuer herangezogen. Hiergegen richtet sich ihre Klage mit der Begründung, ihr geschwisterliches Lebenskonzept weiche nicht von dem einer Ehe oder Lebenspartnerschaft, die auf gegenseitige Versorgung gerichtet sei, ab, so dass sie nach Steuerklasse I der Erbschaftsteuer unterworfen werden müsse.

Entscheidung

Das Finanzgericht Köln wies die Klage ab. Die erbschaftsteuerliche Ungleichbehandlung von Geschwistern im Vergleich zu Ehen oder Lebenspartnerschaften sei gerechtfertigt. Dies gelte auch, wenn die Geschwister in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft gelebt hätten. Diesen seltenen Ausnahmefall habe der Gesetzgeber nicht gesondert regeln müssen. Vielmehr sei es dem Gesetzgeber gestattet gewesen, typisierend die Steuerklassen festzulegen und Geschwister erbschaftschaftsteuerlich anders zu behandeln als Personen, die zur verfassungsrechtlich geschützten Kleinfamilie gehören. Ungeachtet dessen ist die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen worden, weil Bestandteil des Rechtsstreites auch war, inwieweit die Geschwister trotz des in 2009 erfolgten Erbfalls in den Genuss der günstigeren Steuersätze gelangen könnten, die seit dem 1.1.2010 gelten.

Konsequenz

Bedeutung erlangt die Entscheidung wegen des zur Revision zugelassenen Teils. Das FG Köln sieht es als zulässig an, dass es nach Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform am 1.1.2009 für Erbfälle des Jahres 2009 (Eingangssteuersatz = 30 %) und Erbfälle ab dem 1.1.2010 (Eingangssteuersatz = 15 %) 2 unterschiedliche Steuersatzsysteme für Erwerbe in der Steuerklasse II gab, lässt aber insoweit die Überprüfung zu.

1.15 Erbschaft nach einem Elternteil ist kein kindergeldrechtlicher Bezug 

Kernproblem

Der Bezug von Kindergeld setzt nach der bis einschließlich zum Jahr 2011 geltenden Gesetzesfassung voraus, dass das Kind über nicht mehr als 8.004 EUR Einkünfte oder Bezüge im Kalenderjahr verfügt. Während sich der Begriff der Einkünfte an den 7 Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) orientiert, kann streitig sein, ob anrechenbare Bezüge vorliegen. Nach der Definition sind Bezüge alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden (z. B. ein Teil der steuerfreien Einnahmen). Eine Anrechnung setzt jedoch voraus, dass die Bezüge zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Ob eine Erbschaft hierzu gehört, musste der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entscheiden.

Sachverhalt

Ein Vater kämpfte mit der Familienkasse um das Kindergeld seiner in Ausbildung befindlichen Söhne, die den Tod der Mutter zu verkraften hatten. Diese hinterließ den Kindern als Miterben Eigentumswohnungen, Girokonten, Sparbücher, Aktiendepots und Lebensversicherungen. Nachdem die Familienkasse Aktien und Wertpapiere als anrechenbar gewertet hatte, musste das Kindergeld wegen Überschreitens der Einkunftsgrenze zurückgezahlt werden. An dieser Auffassung zweifelte bereits das Finanzgericht, zumal in der eigenen Dienstanweisung der Familienkassen geschrieben steht, dass gesetzliche und auch freiwillig geleistete Unterhaltsleistungen der Eltern ohne Einfluss auf die Kindergeldberechtigung bleiben. Dennoch zog man bis zum BFH.

Entscheidung

Die Beteiligung am Nachlass nach einem verstorbenen Elternteil führt nach Auffassung des BFH nicht zu einem Bezug des Kindes. Allein Zuflüsse "von außen" seien anzusetzen, sofern sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind. Im Erbfall nach einem Elternteil liege kein Zufluss von dritter Seite vor. Dieses Ergebnis vermeide zudem rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die auftreten könnten, wenn der Nachlass keine bzw. geringe liquide Mittel enthielte. Ansonsten müsse geprüft werden, in welchem Umfang ein Kind gehalten ist, ererbte liquide Mittel zu verbrauchen oder ob die Verpflichtung bestehe, nicht liquide Nachlassgegenstände zu verwerten.

Konsequenz

Wegen einer Änderung der Vorschriften zum Kindergeld und Kinderfreibetrag durch das Steuervereinfachungsgesetz kommt es ab dem Jahr 2012 nicht mehr auf die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes an.

1.16 Alleinerziehende: Anspruch auf Entlastungsbetrag bis zur Eheschließung

Kernproblem

"Echte" allein stehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag von 1.308 EUR im Kalenderjahr bei Ermittlung ihrer Einkommensteuer abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das der Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht. Das Gesetz setzt voraus, dass keine Haushaltsgemeinschaft mit anderen volljährigen Personen besteht, außer wenn diese noch selbst als "steuerliches Kind" gelten. Die Prüfung der Haushaltsgemeinschaft führt häufig zum Streit mit dem Finanzamt, denn nicht nur der Lebensgefährte im Haushalt führt zur Versagung des Freibetrags, sondern auch Oma, Opa oder ältere Geschwister (nur bei Pflegebedürftigkeit hat das Finanzamt ein Einsehen). Zudem wird vorausgesetzt, dass der Splittingtarif nicht zur Anwendung kommen kann. Genau hierum ging es bei einem Verfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg.

Sachverhalt

Eine zu Beginn des Jahres 2004 "echte" allein stehende Mutter heiratete im November und zog zu Beginn des darauffolgenden Jahres mit ihrem Ehemann zusammen. Die Voraussetzungen für den Erhalt des Entlastungsbetrags lagen bis zur Heirat unstreitig vor. Zudem wählte die Mutter im Jahr 2004 die Möglichkeit der besonderen Veranlagung, so dass sie wie eine Unverheiratete zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Weil die Mutter jedoch auch die Ehegattenbesteuerung und damit die Anwendung des Splittingtarifs hätte wählen können, verweigerte das Finanzamt die Anerkennung des Entlastungsbetrags für das gesamte Streitjahr 2004. Die Mutter dagegen sah wegen der gewählten Veranlagungsart die Voraussetzungen für das gesamte Jahr als erfüllt an, zumindest aber für 11 Monate bis November. Eine nicht leichte Entscheidung des Finanzgerichts stand bevor.

Entscheidung

Das Gericht hat der Mutter den Entlastungsbetrag zumindest zeitanteilig für 11 Monate zugestanden. Die Richter wollten sich jedoch nicht dazu durchringen, auch für den Dezember die geforderte Entlastung zu gewähren, weil ihrer Auffassung nach ab dem Folgemonat nach dem Heiratstermin eine zeitanteilige Gewährung nicht mehr möglich sei. Für den Fall der besonderen Veranlagung sehe das Gesetz keine Sonderregelung im Hinblick auf die Gewährung des Entlastungsbetrags vor. Wegen der Monatsbetrachtung dürfe aber auch keine Versagung für das ganze Jahr erfolgen.

Konsequenz

Weil die Mutter ihr Ziel fast erreicht hat, ist es nicht verwunderlich, dass das Urteil rechtskräftig geworden ist. Durch Wegfall der besonderen Veranlagung ab 2012 ist es auch fraglich, ob der Zusammenhang mit dem Entlastungsbetrag noch einmal höchstrichterlich geklärt wird. In der Fachliteratur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass sich besondere Veranlagung und der Entlastungsbetrag nicht ausschließen.

1.17 Besuchsfahrten sind nicht immer außergewöhnliche Belastungen

Kernproblem

Aufwendungen des nicht sorgeberechtigten Elternteils für den Umgang mit seinem Kind hat der Gesetzgeber üblicherweise den typischen Aufwendungen der Lebensführung zugeordnet, die durch Kinderfreibetrag oder das Kindergeld abgegolten sind. Ob Aufwendungen für die Besuchsfahrten zu einem bei der Mutter lebenden Kind auch außergewöhnliche Belastungen darstellen können, wollte ein Vater beim Finanzgericht austesten. Sein Argument: Bezieher von Hartz-IV-Leistungen bekommen die notwendigen Kosten solcher Besuchsfahrten zum Teil finanziert.

Sachverhalt

Ein in Rheinland-Pfalz lebender Vater beantragte den Abzug außergewöhnlicher Belastungen für monatlich durchgeführte Besuchsfahrten zu der bei der Mutter in Norddeutschland lebenden Tochter. So waren Aufwendungen von fast 8.700 EUR angefallen, deren Berücksichtigung das Finanzamt jedoch ablehnte. Vor dem Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz berief sich der Vater auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, denn während mittellose Väter staatliche Unterstützung von fast 3.600 EUR bekämen, würde Vätern mit Einkommen ein Steuerabzug versagt. Ob ihm hierbei ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz auch auf steuerlicher Seite beistand? Dieses hatte nämlich entschieden, dass der Träger der Grundsicherung die Umgangskosten eines Vaters übernehmen müsse, dessen Kind seinen Wohnsitz in den USA habe.

Entscheidung

Das FG lehnte den Antrag ab und beließ es bei der Abgeltungswirkung durch den Familienleistungsausgleich. Die Entscheidung des Gesetzgebers liege im Rahmen des gesetzgeberischen Regelungsspielraums. Wegen unterschiedlicher Sachverhalte könne auch keine Ungleichbehandlung daraus hergeleitet werden, dass einem Bezieher von Hartz-IV-Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch das LSG Rheinland-Pfalz ein Sonderbedarf für seine in den USA lebende Tochter zugestanden worden sei. Damit sieht sich das FG auch durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gestärkt; denn dieser habe dem Gesetzgeber bereits in vergleichbaren Fällen zugestanden, im Bereich des subjektiven Nettoprinzips generalisierende und pauschalierende Regelungen treffen zu dürfen, ohne wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.

Konsequenz

Die Verfolgung weiterer Rechtsmittel erscheint aussichtslos, weil das Bundesverfassungsgericht die in diesem Zusammenhang eingelegten Verfassungsbeschwerden bisher nicht zur Entscheidung angenommen hat. Der Vater hat dennoch Beschwerde gegen die vom Finanzgericht nicht zugelassene Revision beim BFH eingelegt.

1.18 Umzug in Etappen: Wie weit geht die berufliche Veranlassung?

Kernproblem

Der Abzug von Umzugskosten als Werbungskosten setzt voraus, dass private Gründe eine untergeordnete Rolle spielen. Arbeitsplatzwechsel oder eine erhebliche Zeitersparnis für die Fahrten zur Arbeit (lt. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: etwa 1 Stunde täglich) sind typische Anzeichen für eine berufliche Veranlassung. Bei einem Umzug in Etappen - zunächst in eine "Zwischenlösung" und später in die endgültige Bleibe - stellt sich die Frage, ob der zweite Umzug privat oder auch noch beruflich veranlasst ist.

Sachverhalt

Ein Mathematiker lebte ursprünglich mit seiner Familie zusammen und zog beruflich veranlasst alleine an den über 130 km entfernt liegenden Arbeitsort. An den Wochenenden kehrte er zunächst regelmäßig zu seiner Familie zurück und begründete einen doppelten Haushalt. Im darauffolgenden Jahr übernahm er über einen Zeitraum von etwa 3 Jahren Aufgaben im Ausland. Die Zweitwohnung wurde beibehalten. Weil es mit der Ehefrau zum Zerwürfnis kam, lebte er mit ihr innerhalb der Familienwohnung getrennt, nutze jedoch später überwiegend die Zweitwohnung. Nach Scheidung und Rückkehr des Mathematikers ins Inland mietete er eine neue Wohnung in Arbeitgebernähe an. In der früheren Familienwohnung, die nach Scheidung der Ehefrau zugesprochen wurde, befanden sich noch persönliche Sachen, für deren Transport Umzugskosten von 2.700 EUR anfielen. Den begehrten Werbungskostenabzug hierfür lehnte das Finanzamt wegen privater Veranlassung ab, so dass der Fall durch Klage beim Finanzgericht Köln anhängig wurde.

Entscheidung

Das Gericht ist zu der Entscheidung gelangt, dass der erste Umzug in das Einzugsgebiet des Arbeitgebers unstreitig beruflich veranlasst war. Hiermit ende jedoch auch der berufliche Zusammenhang. Bei einem Umzug in Etappen sei der zweite Umzug regelmäßig privat veranlasst. Eine daneben in Betracht kommende Berücksichtigung der Kosten aus einer Beendigung der doppelten Haushaltsführung scheide im Streitfall aus, weil der doppelte Haushalt bereits viel früher (spätestens nach der Scheidung) beendet war.

Konsequenz

Im rechtskräftig gewordenen Urteil konnte das Finanzgericht wohl schlecht zu einem anderen Ergebnis kommen. Wesentlich kulanter beurteilt der Bundesfinanzhof die Rechtslage bei dem beruflich veranlassten Umzug eines Ehegatten und späterer Familienzusammenführung. In solchen Fällen hat er im letzten Jahr sogar doppelte Mietaufwendungen als Umzugskosten anerkannt, und zwar für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag (der Familie) und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag (der Familie), längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses.

1.19 Gewinnzurechnung bei ausgeschiedenem Gesellschafter 

Kernaussage

Die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) führt dazu, dass die Gesellschafter die ihnen gegen die gesamte Hand (und gegen die Mitgesellschafter) zustehenden Ansprüche nicht mehr selbstständig durchsetzen können (sog. Durchsetzungssperre). Diese sind vielmehr als unselbstständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung aufzunehmen, deren Saldo sodann ergibt, wer von wem noch etwas fordern kann. In diesem Zusammenhang ist einem aus einer Personengesellschaft ausscheidenden Gesellschafter der gemeinschaftlich erzielte laufende Gewinn grundsätzlich auch dann anteilig persönlich zuzurechnen, wenn die verbleibenden Gesellschafter die Auszahlung verweigern, weil sie gegen den Ausgeschiedenen Schadensersatzansprüche in übersteigender Höhe haben. Dies gilt, so der Bundesfinanzhof (BFH) aktuell, auch dann, wenn der Anspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters der vorbeschriebenen Durchsetzungssperre unterliegt.

Sachverhalt

Der klagende ausgeschiedene Gesellschafter war zu 15 % am laufenden Gewinn seiner GbR beteiligt. Die verbliebenen Gesellschafter verweigerten die Auszahlung seines Gewinnanteils, weil der Ausgeschiedene ihnen Schadensersatz in übersteigender Höhe schuldete. Das Landgericht wies die Klage des Ausgeschiedenen ab, da der Abfindungsanspruch nicht isoliert geltend gemacht werden könne. Die Parteien streiten deshalb in einem weiteren Zivilprozess um den Auseinandersetzungsanspruch. Dennoch rechnete das hier beklagte Finanzamt zwischenzeitlich dem ausgeschiedenen Gesellschafter die laufenden Gewinne zu. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg, weil der ausgeschiedene Gesellschafter keine Möglichkeit habe, die Auszahlung zu erzwingen, solange der Zivilprozess über die Auseinandersetzungsbilanz nicht beendet sei.

Entscheidung

Der BFH teilte diese Ansicht nicht. Der Gewinn ist den Mitunternehmern im Zeitpunkt der Entstehung zuzurechnen und nicht erst im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses. Denn dann wäre ein Gewinn bis dahin niemandem zurechenbar. Auch ist der Zufluss des Gewinns beim einzelnen Mitunternehmer keine Voraussetzung für die anteilige steuerliche Zurechnung des gemeinschaftlich erzielten Gewinns. Die Tatsache, dass die Gesellschafter ihre Ansprüche bei Auflösung der GbR nicht mehr selbstständig durchsetzen können, sondern diese in die Schlussrechnung aufnehmen müssen, ändert nichts daran, dass der im Auseinandersetzungsanspruch enthaltene laufende Gewinn dem Kläger steuerlich zuzurechnen ist. Der Kläger hat nämlich insofern den Besteuerungstatbestand verwirklicht.

Konsequenz

Nach dem Hinweis des BFH sind besondere persönliche Härten, die sich im Einzelfall bei einer Besteuerung ohne vorangegangenen Zufluss an Liquidität ergeben können, erforderlichenfalls im Billigkeitswege zu mildern.

1.20 Semestergebühren sind als Mehraufwendungen abziehbar

Kernproblem

Die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld sind im Einkommensteuergesetz geregelt. Ob den Eltern Kindergeld zusteht, entscheidet jedoch nicht das Finanzamt, sondern die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (bei Angehörigen im öffentlichen Dienst der Arbeitgeber). Zur Entscheidungsfindung bedienen sich die Familienkassen der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs. Wollen die Eltern zu ihren Gunsten von einer dort zitierten Verwaltungsauffassung abweichen, erfordert es meist den Gang vor ein Gericht, um sich sein Recht zu erkämpfen. So erging es auch einem Vater, dem die Familienkasse wegen des Überschreitens der Einkunftsgrenze das Kindergeld verwehrte. Alles hing an der Behandlung der Semestergebühren von ca. 240 EUR.

Sachverhalt

Der Vater begehrte für seinen studierenden Sohn Kindergeld. Die Familienkasse lehnte dies ab, weil die vom Sohn erzielten Einkünfte den unschädlichen Betrag von 7.680 EUR um etwa 136 EUR überschritten. Dabei ließ die Familienkasse die vom Sohn bezahlten Semestergebühren mit Hinweis auf die Dienstanweisung nicht zum Abzug zu, weil die Aufwendungen kein ausbildungsbedingter Mehrbedarf seien, sondern Mischkosten. Der in den Gebühren enthaltene Anteil für ein Semesterticket sei durch die bereits berücksichtigte Entfernungspauschale abgegolten, während der enthaltene Beitrag des Studentenwerks Sozialaufwand darstelle. Der Vater bekam zunächst vor dem Finanzgericht Recht, doch die Familienkasse zog mit dem Fall bis vor den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung

Der BFH teilte ebenfalls die Ansicht des Klägers und lehnte die Anwendung der Verwaltungsauffassung, die lediglich einen Abzug für getrennt ausgewiesene Einzelpositionen der Semestergebühr zulässt, ab. So stellten die Gebühren nach Auffassung des Senats insgesamt ausbildungsbedingte Mehraufwendungen dar, weil der Studierende diese Gebühren zwingend entrichten müsse, wenn er ein Studium aufnehmen oder fortsetzen wolle. Da der Student auch nicht frei über den Erwerb von mit der Semestergebühr entgoltenen Leistungen entscheiden könne, liege auch keine schädliche private Mitveranlassung vor. Zudem stehe dem Abzug der Kosten für ein in der Semestergebühr enthaltenes Semesterticket auch nicht die abgeltungswirkende Berücksichtigung der Entfernungspauschale entgegen, weil die Aufwendungen nicht durch die Fahrten zwischen Wohnung und Universität veranlasst seien.

Konsequenz

Die Entscheidung ist nicht mehr von allzu großer Tragweite, weil die Gewährung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen ab dem Jahr 2012 nicht mehr von der Höhe eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes abhängig ist.

1.21 Fristlose Kündigung eines freigestellten Arbeitnehmers zulässig? 

Rechtslage

Fristlose Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses sind nur dann zulässig, wenn einer der Parteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann. Grundsätzlich ist bei der arbeitgeberseitigen Zumutbarkeitsprognose auch darauf abzustellen, wie sich der Arbeitnehmer künftig verhalten wird. Ist das Arbeitsverhältnis bereits beendet und befindet sich der Kläger in der Freistellung, fällt diese Zumutbarkeitsprognose regelmäßig gegen eine fristlose Kündigung aus. Das Landesarbeitsgericht Hessen hat nunmehr zu den Voraussetzungen entschieden, unter denen auch in der Freistellung eine fristlose Kündigung zulässig ist.

Sachverhalt

Der Kläger war bei einem Kreditinstitut beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war durch Aufhebungsvertrag beendet. An seinem letzten Arbeitstag versandte der Kläger Unterlagen und Dokumente, die dem Bankgeheimnis unterlagen, an seine private Email-Adresse. Hiervon erfuhr der Arbeitgeber in der Freistellungsphase und kündigte das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, er habe die Unterlagen und Dokumente nicht an Dritte weitergeben wollen, unterlag aber vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht sah den Verstoß gegen das Bankgeheimnis als solch gravierende Pflichtverletzung arbeitsvertraglicher Pflichten an, dass es eine firstlose Kündigung in der Freistellung für zulässig erachtete. Zwar sei nicht damit zu rechnen, dass sich die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung wiederhole, die Schwere des Vertrauensbruchs, die mit einer Straftat zu Lasten des Arbeitgebers vergleichbar sei, ermögliche hier aber eine fristlose Beendigung des nicht mehr in Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnisses.

Konsequenz

Dem Grunde nach ist auch in der Freistellungsphase eines beendeten Arbeitsverhältnisses eine fristlose Kündigung (noch) möglich. Allerdings wird der Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers eine Schwere haben müssen, die mit einer nicht nur geringfügigen Straftat gegen den Arbeitgeber gleichzusetzen ist.

1.22 Berücksichtigung des Alters bei Sozialauswahl ist nicht diskriminierend

Rechtslage

Dass Kündigungen in den Anwendungsbereich der Diskriminierungsschutzvorschriften fallen, ist inzwischen ständige Rechtsprechung. Nach deutschem Recht ist es zulässig, bei betriebsbedingten Kündigungen Altersgruppen zu bilden, aus denen dann die betriebsbedingt zu kündigenden Arbeitnehmer ermittelt werden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob diese Altersgruppenbildung auch europäischen Diskriminierungsverboten entspricht, oder ob der Europäische Gerichtshof (EuGH) hierüber entscheiden müsse.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber hatte sich im Rahmen dringend erforderlicher betriebsbedingter Kündigungen mit dem Betriebsrat auf die Bildung von Altersgruppen und Richtlinien für die Sozialauswahl geeinigt. Auf dieser Grundlage wurde dem Kläger betriebsbedingt gekündigt. Hiergegen wandte er sich und klagte mit der Begründung, die Kündigung sei altersdiskriminierend ausgesprochen worden.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab. Insbesondere die Bildung von Altersgruppen sei auch nach unionsrechtlichen Diskriminierungsrichtlinien nicht zu beanstanden. Zwar sei damit eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters verbunden. Diese sei aber auch nach unionsrechtlichen Vorschriften gerechtfertigt, weil die Bildung von Altersgruppen rechtmäßige Ziele der Beschäftigungspolitik wahre, nämlich zum einen den Schutz älterer Arbeitnehmer und zum anderen die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer. Darüber hinaus diene die Bildung von Altersgruppen einer homogenen Gestaltung der Demografie in der Belegschaft. Vor diesem Hintergrund sei ein Anrufen des Europäischen Gerichtshofs in der Sache nicht erforderlich.

Konsequenz

Die Entscheidung bringt Rechtssicherheit. Insbesondere ist zu begrüßen, dass das Bundesarbeitsgericht sich in eigener Kompetenz zuständig erklärt hat, die unionsrechtliche Fragestellung zu entscheiden.

1.23 Verkäufer haftet dem Arbeitgeber nicht für Ladendiebstähle

Kernfrage

Ein Arbeitnehmer haftet seinem Arbeitgeber gegenüber für einen diesem entstandenen Schaden aus seiner Tätigkeit nur dann, wenn den Arbeitnehmer ein Verschulden von mindestens grober Fahrlässigkeit trifft. Bei nur leichter Fahrlässigkeit ist die Arbeitnehmerhaftung ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht Oberhausen hatte darüber zu befinden, ob einem Verkäufer, in dessen Dienstzeit aus dem Lager Ware gestohlen wird, eine solche haftungsbegründende grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger war als Verkäufer in einem Mobilfunkgeschäft beschäftigt. Während seiner Arbeitszeit und während er sich in einem Verkaufsgespräch befand, wurden aus dem Lagerraum, der sich hinter dem Ladenlokal befand, mehrere Mobiltelefone gestohlen. Dem Kläger wurde (zulässigerweise in der Probezeit) gekündigt. Mit seiner Klage machte er seinen letzten Lohn geltend, gegen den der Arbeitgeber Schadensersatzansprüchen wegen des Diebstahls aufgerechnet hatte und widerklagend weiteren Schadensersatz geltend machte.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Oberhausen gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Im Arbeitsverhältnis hafte der Arbeitnehmer erst ab grober Fahrlässigkeit. Diese sei dem Kläger nicht zur Last zu legen (allenfalls leichte Fahrlässigkeit). In Ermangelung eines Schadensersatzanspruchs könne der Arbeitgeber auch keine Aufrechnung erklären.

Konsequenz

Ein Verkäufer haftet für Ladendiebstähle jedenfalls dann nicht, wenn er während der Zeit der Tat seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommt (hier: Verkaufsgespräch). Fraglich ist, ob die Entscheidung genauso ausgefallen wäre, wenn der Verkäufer nicht hätte nachweisen können, dass er während der Tatzeit ein Verkaufsgespräch geführt hatte.

1.24 Wann dürfen Arbeitgeber ein Attest fordern?

Kernfrage

Arbeitsverträge sehen oftmals vor, dass Arbeitnehmer bei mehr als 3-tägiger Krankheit verpflichtet sind, ein ärztliches Attest vorzulegen. Das Entgeltfortzahlungsgesetz sieht seinem Wortlaut nach aber vor, dass bei krankheitsbedingter Abwesenheit spätestens am dritten Tag ein Attest vorzulegen ist. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter zur Vorlage eines Attests bei nur eintägiger Krankheit verpflichten kann.

Sachverhalt

Der Kläger war Redakteur eines Nachrichtensenders. Als der Arbeitgeber eine Dienstreise verweigerte, fehlte der Kläger am Tag der Dienstreise krankheitsbedingt. Daraufhin verlangte der Arbeitgeber für die Zukunft die Vorlage ärztlicher Atteste auch für den Fall nur eintägiger Erkrankungen. Gegen diese Anweisung wandte sich der Kläger und verlor.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Köln wies die Klage ab, ließ aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Das Entgeltfortzahlungsgesetz sei nicht so zu verstehen, dass erst bei 3-tägiger krankheitsbedingter Abwesenheit ein Attest vorzulegen sei. Vielmehr eröffne der Gesetzeswortlaut die Möglichkeit, bereits ab dem ersten Tag der Krankheit ein Attest zu verlangen. Umstritten sei zwar, ob dieses frühere Vorlageverlangen einer besonderen Begründung oder eines konkreten Anlasses bedürfe. Diesen Streit entschied das Gericht zugunsten des Gesetzeswortlauts mit der Begründung, dass das allgemeine Angemessenheitsgebot des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts im Bereich der Spezialgesetzgebung der Entgeltfortzahlung nicht gelte.

Konsequenz

Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im anhängigen Berufungsverfahren durch das Bundesarbeitsgericht gehalten wird. Arbeitgeber, die Streitigkeiten vermeiden wollen, sollten bereits im Arbeitsvertrag regeln, dass Atteste über krankheitsbedingte Abwesenheiten frühzeitig, also ab dem ersten Tag der Erkrankung vorzulegen sind.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de